Was ist Reizüberflutung – und warum betrifft sie besonders Kinder mit ADHS?
Kinder mit ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung) haben ein besonders empfindliches Nervensystem. Reize – also Geräusche, Licht, Bewegungen oder Gerüche – werden oft ungefiltert aufgenommen und können zu einer Überforderung des Gehirns führen. Diese sogenannte Reizüberflutung äußert sich bei betroffenen Kindern häufig durch:
- Unruhe oder Rückzug
- Gereiztheit oder Wutausbrüche
- Konzentrationsprobleme
- Erschöpfung oder Schlafstörungen
Ein lautes Klassenzimmer, eine volle Kita-Gruppe oder ein Einkauf im Supermarkt kann sich für ein betroffenes Kind anfühlen wie ein Orchester ohne Dirigent – alles kommt gleichzeitig und ungeordnet an.
Wie kann Gehörschutz hier helfen?
Gehörschutz ist nicht nur ein Mittel zum Schutz vor Hörschäden. In vielen Fällen kann er sensorische Reize dämpfen, strukturieren und Kindern mit ADHS helfen, besser im Moment zu bleiben.
🎧 Dämpfung, nicht Abschottung
Wichtig: Es geht nicht darum, das Kind komplett von der Umwelt abzuschneiden – sondern die Reizflut zu reduzieren, sodass es sich besser orientieren, fokussieren und entspannen kann.
Welche Arten von Gehörschutz eignen sich für Kinder mit ADHS?
Es gibt verschiedene Lösungen – je nach Alltagssituation und Kind:
✅ Kapselgehörschutz (sog. „Mickey Mäuse“)
- Ideal für Pausen, Busfahrten oder belebte Schulflure
- Visuell deutlich, was Reizfilterung auch sozial signalisiert („Ich brauche kurz Ruhe“)
✅ Geräuschdämmende Kopfhörer
- Oft angenehmer zu tragen und sozial akzeptierter
- Einige Modelle dämpfen gleichmäßig, andere arbeiten mit aktivem Noise Cancelling
✅ Spezielle Ohrstöpsel für Kinder (z. B. von Alpine, Pluggerz)
- Unauffällig, aber weniger flexibel im Einsetzen
- Gut für ruhige Arbeitsphasen oder Lernzeiten zu Hause
Was sagen Expert:innen dazu?
Ergotherapeuten und Schulpsychologen empfehlen Gehörschutz für Kinder mit ADHS zunehmend als niedrigschwellige, aber wirksame Maßnahme – insbesondere, wenn die Umgebung nicht verändert werden kann.
Ein Kind, das sich durch Geräusche regelmäßig überfordert fühlt, kann durch Gehörschutz:
- ruhiger im Verhalten werden
- länger an einer Aufgabe arbeiten
- besser zuhören
- sich insgesamt sicherer fühlen
Wichtig ist, den Einsatz begleitend zu erklären: Das Kind sollte verstehen, dass es damit aktiv etwas für sich tun kann – kein Zwang, sondern ein Werkzeug.
Tipps für Eltern und Lehrer: So gelingt die Einführung
- Kind einbeziehen: Zeigt ihm die Optionen und lasst es mitentscheiden.
- Sanft starten: Erst zuhause ausprobieren – z. B. bei Hausaufgaben oder beim Lesen.
- Vertrauensvoll erklären: In der Schule oder Kita den Umgang gemeinsam besprechen – mit dem Kind und den Pädagog:innen.
- Positiv besetzen: „Das ist dein Ruhe-Zauberhut“ funktioniert besser als „Du brauchst das, weil du zu laut bist.“
- Nicht zu lang tragen lassen: Es geht um punktuelle Entlastung, nicht um ständige Abschottung.
Gibt es Nachteile?
Wird Gehörschutz zu häufig oder unreflektiert eingesetzt, kann das Kind sich zu sehr isolieren oder Reize schlechter verarbeiten lernen. Daher: Dosiert einsetzen, beobachten, Feedback einholen – und im besten Fall mit Therapeuten oder Fachkräften abstimmen.
Fazit: Ein stiller Begleiter im Alltag
Gehörschutz kann für Kinder mit ADHS ein wahrer Gamechanger sein – nicht als Allheilmittel, aber als hilfreiches Werkzeug im Alltag. Eltern, Lehrer und Betreuer sollten offen für diese Möglichkeit sein und sie individuell und achtsam einsetzen.
Denn manchmal ist es nicht das Kind, das zu laut ist – sondern die Welt drumherum.